Autistic Flow
Erst vor einigen Monaten ist mir bewusst geworden, dass ich aus dem autistischen Spektrum komme. Seit dem hat sich mein Leben grundlegend geändert. Statt gegen meinen “autistischen Wahnsinn” zu arbeiten und meine Energie damit zu verschwenden normal zu werden, nutze ich seit kurzem die freiwerdende Power und übe mich redlich bewusst das Scheitern zu riskieren und nicht schon im ersten Schritt die unmöglichen 100 % anzustreben.
Denn Scheitern ist in der Realität ein ganz natürlicher Prozess der mich viel schneller zum Erfolg führt als perfekt vorgedachte Szenarien…
In meiner Welt waren lange Zeit fast alle Informationen gleichwertig und ich konnte diese Menge an Informationen kaum verarbeiten. Gleichzeitig wollte ich aber keine Informationen verlieren. Denn wenn es diese Informationen gibt, müssen Sie ja auch wichtig sein. Um mich herum kamen doch alle Menschen gut zurecht und daher sah ich keine andere Möglichkeit als mit dieser Unmenge an Informationen irgendwie umzugehen. War dies schon in meiner Jugend sehr anstrengend, wurde es im Zeitalter des Internets und der rasant ansteigenden digitalen Informationsflut fast unerträglich.
Und irgendwann kam es dann zum Totalausfall. Und ich wusste damals einfach nicht woran es lag. Ich bin nicht dumm und trotzdem waren – fast – alle Menschen um mich herum erfolgreich. Nur ich nicht.
Erst während der Austismus Testung unseres Sohnes – bei der ich die ganze Zeit Anwesend war – wurde mir endlich klar, dass es einen entscheidenden Unterschied zwischen mir und den Anderen Menschen gab. Die anderen nahmen nur einen Bruchteil des ständig stattfindenden Lebens bewusst war und blendeten Vieles einfach automatisch aus.
Diese natürliche Filterfunktion war bei mir außer Kraft gesetzt und ich hatte bis dato einfach noch keine funktionierende Strategie entwickelt diesen “Defekt” auszugleichen. Mittlerweile erlebe ich dieses Phänomen nicht mehr als defekt, sondern als Qualität. Je mehr ich lerne Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, desto mehr kann ich die reinkommenden Informationen filtern, sortieren und am Ende kondensieren.
Aus einer Vielfalt von Wahrgenommenem, wird nach diesem Prozess oft eine wertvolle Essenz.
Prozess Ohr und Informationslogistiker
Was ich bisher unterschlagen habe. Ja das Wahrnehmen dieser Vielfalt an Informationen macht mir auch Freude … es ist aufregend … und macht mein Leben auf einen besondere Art lebendig. Eine fast unaufhörlich Neugier treibt mich an … lässt mich selten zur Ruhe kommen … trieb mich früher von einem Ort zum Anderen … und später von einem Projekt zum Anderen.
Lange wusste ich dies nicht einzuordnen und war unglücklich darüber, dass ich nirgends bleiben konnte. Heute verstehe ich mehr und mehr, dass mein Zuhause die Straße ist … im Unterwegs sein finde ich Ruhe. Und dann tauchte irgendwann der Begriff Prozess-Ohr auf.
Ich bin gut darin in verschiedenste Zusammenhänge einzutauchen, sie zu scannen, sie auf verschiedenste Weise wahrzunehmen.
Neben der inhaltlichen Ebene nehme ich auch immer die Prozessebene wahr. In welchen Rahmenbedingungen bewegen wir uns, welche Rollen sind bewusst verteilt oder unbesetzt, welche strukturellen Unklarheiten führen zu Missverständnissen oder Konflikten, welche Methoden könnten vielleicht hilfreich sein oder welche Methoden und Skills werden schon erfolgreich angewandt.
Und gleichzeitig läuft bei mir wohl oft so eine Art Prozess-Analyse-Prozess der sozusagen in Echtzeit überprüft, ob es an dem Prozess etwas zu verbessern gibt oder ob vielleicht in meinem Werkzeugkasten schon wirksamere Skills existieren die den Prozess unterstützen können.
Digitale Commons
Zuerst einmal aus beruflicher Notwendigkeit als Umzugslogistiker fing ich schon früh an die verschiedensten Selbstorganisationstechniken und Tools zu testen und in mein Leben zu intergrieren. Dabei lernte ich sehr früh, das das beste Tool nichts nutzt, wenn es meinen eigenen Organisationsprinzipien und meinem eigenen Denken widerspricht.
Einige Techniken nutze ich schon seit 30 Jahren, andere werden ständig angepasst. Und so wie das menschlichen Leben im Grunde aus fortwährender Veränderung besteht, so ist das natürlich auch im Bereich der „Digitalen Organisations,- und Kollaborationstools“ und im Internet.
Nun seit der digitalen Revolution (zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn gab es noch keinen Computer, sondern nur Karteikarten aus Papier) faszinieren mich die unterschiedlichesten digialen Tools und das Verständnis über deren effektive Anwendung.
So beschäftige ich mich nun seit langer Zeit nicht nur mit den innovativen digitalen Tools, sondern auch mit dem Thema digitale Autarkie.
Dabei leiten mich folgende Fragen:
- Welche Möglichkeiten gibt es meine Daten und die meines Gegenübers zu schützen?
- Wie kann ich mich und meine Kommunikation unabhängig machen von den großen Datenkraken dieser Welt?
Hierarchiearme Kollaboration
Stellt schon die Kommunikation in der persönlichen Begegnung ein große Herausforderung dar, so multipliziert sich die Komplexität im Zeitalter des Internets und der mannigfaltigen digitalen Tools in einen fast nicht mehr zu bewältigenden Informationsdschungel. In der Arbeit mit vielen Gruppen und Projekten lernte ich immer mehr, das es eben nicht wirklich damit getan ist alle Informationen ungefiltert an alle Beteiligten zu verteilen.
Es braucht eine gesunde Mischung aus gesundem Menschenverstand, persönlicher Begegnung und am Ende auch der effektiven Nutzung unterstützender Tools. Aus meiner Sicht braucht es menschliche Kommunikationsarbeiterinnen, die wirklich dafür freigestellt sind die Gemeinschaftsbildung in einzelnen Gruppen praktisch zu begleiten. In diesem Bereich ist in den letzten Jahren sehr viel Gutes entstanden. Nun stehen wir an dem Punkt die Kollaboration zwischen den Gruppen zu größeren Netzwerken zu verknüpfen.
Auch für dieses Engagement braucht es Menschen die Zeit und Kompetenzen da rein geben. Die Kunst im weben dieser Netzwerke besteht für mich darin, eben nicht wieder in hauptsächlich hierarchische Organisationsformen zurückzugehen. Ich bin fest davon überzeugt, das wir den langen Weg der Bewusstseinsbildung gehen müssen. Und dies auf zwei Ebenen. Einerseits braucht es eine solidarische und egalitäre Organisationsform und andrerseits eine bewusste Entscheidung für einen wirklich wirklich nachhaltigen Lebensstil.
Ohne ein tiefgreifendes Einlassen auf diese beiden Themen wird der so oft beschworene Wandel nicht wirklich die Geschwindigkeit erreichen, die wir brauchen. Auf dieser Webseite will ich versuchen hilfreiche Erkenntnisse, Gedanken, praxiserprobte Tools und Angebote zu publizieren, die vielleicht anderen Menschen im Wandelprozess dienlich sein können.
Herzliche Grüße aus Münster Andreas Artmann